IDD – Nachhaltigkeitspräferenzen
Die Richtlinie über den Versicherungsvertrieb (IDD – Richtlinie (EU) 2016/97) ist eine Richtlinie (vollständige Neufassung der Richtlinie über Versicherungsvermittlung (Richtlinie 2002/92/EG über Versicherungsvermittlung), die vom Europäischen Parlament und dem Rat eingeführt wurde. Ziel ist es, die Regeln für die Gestaltung und den Vertrieb von Versicherungsprodukten zu stärken und auf den Verkauf aller Versicherungsprodukte in der EU anzuwenden. Weiterhin soll die IDD, die nationalen Bestimmungen über den Vertrieb von Versicherungen und Rückversicherungen harmonisieren, ohne die Mitgliedstaaten zu hindern, strengere Bestimmungen zum Schutz der Kunden beizubehalten oder einzuführen.
Die IDD konzentriert sich hauptsächlich auf die folgenden Bereiche:
- Produktaufsicht und -lenkung und Produktvertriebsvereinbarungen;
- Interessenkonflikte;
- Informationen und Wohlverhaltensregeln;
- Eignungsprüfung (und Information für Kunden)
- Kenntnisse und Schulungen.
IDD ist eine Richtlinie zur Harmonisierung von Mindeststandards und ihre Bestimmungen werden durch zwei Delegierte Verordnungen präzisiert: die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2358 der Kommission über die Anforderungen an die Produktaufsicht und die Unternehmensführung und die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359 der Kommission über Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln.
Im August 2021 hat die Kommission mit der Delegierten Verordnung (EU) 2021/12/1257 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2359 Nachhaltigkeitsfaktoren und -präferenzen in die Produktaufsicht und die Aufsichts- und Lenkungsanforderungen für Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler sowie in die Wohlverhaltensregeln und die Anlageberatung für versicherungsbasierte Anlageprodukte aufgenommen.
Artikel 2 der Delegierten Verordnung (EU) 2021/1257 führt die Definition der „Nachhaltigkeitspräferenz“ als die im IDD-Fragebogen zum Ausdruck zu bringende Entscheidung eines (potenziellen) Kunden ein, eines oder mehrere der folgenden Finanzprodukte in seine Anlage zu integrieren:
- ein Produkt, bei dem ein Mindestanteil in ökologisch nachhaltige Anlagen im Sinne der Verordnung der EU Taxonomie[1] investiert werden muss; und/oder;
- ein Produkt, bei dem ein Mindestanteil in nachhaltige Anlagen gemäß der Definition in Artikel 2 (17) der Verordnung über die Offenlegungspflichten über nachhaltige Finanzprodukte (SFDR) investiert werden muss[2]; und/oder;
- ein Produkt, das die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen (PAI)[3] auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt.[4]
Weitere Informationen finden Sie in den Abschnitten zur EU-Taxonomie und zur SFDR.
Nach den Änderungen der IDD hat die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) einen Leitfaden zur Integration der Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden („Guidance on the integration of the customer’s sustainability preferences in the suitability assessment under IDD“) herausgegeben, um ein besseres Verständnis der neuen Regeln zu fördern und ihre Umsetzung zu erleichtern.
Notes
[1] Eine „ökologisch nachhaltige Investition“ ist eine Investition in eine oder mehrere Wirtschaftstätigkeiten, die gemäß dieser Verordnung sich als ökologisch nachhaltig qualifiziert.
[2] „Nachhaltige Investitionen “ werden in Artikel 2, Punkt 17 der SFDR als Investitionen in eine Wirtschaftstätigkeit definiert, die zu einem Umweltziel beiträgt, gemessen z.B. an Schlüsselindikatoren für die Ressourceneffizienz bei der Nutzung von Energie, erneuerbaren Energien, Rohstoffen, Wasser und Land, an der Erzeugung von Abfall und Treibhausgasemissionen oder an den Auswirkungen auf die Biodiversität und die Kreislaufwirtschaft. Es kann sich auch um eine Investition in eine Wirtschaftstätigkeit handeln, die zu einem sozialen Ziel beiträgt, insbesondere um eine Investition, die zur Bekämpfung von Ungleichheit beiträgt oder den sozialen Zusammenhalt, die soziale Integration und die Arbeitsbeziehungen fördert, oder um eine Investition in Humankapital oder wirtschaftlich oder sozial benachteiligte Gemeinschaften, sofern solche Investitionen keinem dieser Ziele erheblich schaden und die Unternehmen, in die investiert wird, gute Verfahren der Unternehmensführung anwenden, insbesondere im Hinblick auf gute Unternehmensführung, Arbeitnehmerbeziehungen, die Mitarbeitervergütung und die Einhaltung von Steuervorschriften“.
[3] „Wesentlich nachteilige Auswirkungen“ (Principal Adverse Impacts) (PAIs) sind umwelt- und sozialbezogene Indikatoren, die die (negativen) Auswirkungen der von Finanzmarktakteuren getroffenen Investitionsentscheidungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren wie Umwelt- und Sozialthemen bewerten.
[4] „Nachhaltigkeitsfaktoren“ beziehen sich auf umweltbezogene und soziale Auswirkungen, wie auch den Bereich Beschäftigung, die Achtung der Menschenrechte sowie die Bekämpfung von Korruption und Bestechung gemäß der Definition in Artikel 2, Punkt 24 der Verordnung 2019/2088 zur SFDR.
Die Richtlinie stellt einen großen Fortschritt für den Verbraucherschutz dar, da sie die Regeln für die Transparenz des Versicherungsvertriebs, einschließlich der Nachhaltigkeitspräferenzen, und für die Beratung durch Versicherungsvermittler unabhängig von den Vertriebskanälen stärkt.
Die IDD gilt für (Rück-)Versicherungsunternehmen und (Rück-)Versicherungsvermittler, die an der Bereitstellung und/oder dem Vertrieb von Versicherungsprodukten beteiligt sind, einschließlich ergänzender Versicherungsvermittler.
Um die Anforderungen der Delegierten Verordnung (EU) 2021/1257 zu erfüllen, müssen diese Unternehmen die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden bei der Bewertung der Eignung eines Finanzinstruments berücksichtigen. Mit anderen Worten: (Rück-) Versicherungsunternehmen und (Rück-)Versicherungsvermittler müssen ihren IDD-Fragebogen aktualisieren, der dazu dient, die Kenntnisse und Erfahrungen ihrer Kunden in Bezug auf Versicherungsanlageprodukte, ihre finanzielle Situation und ihre Anlageziele zu bewerten, wie auch Fragen zur Bewertung ihrer Nachhaltigkeitspräferenzen hinzufügen.
Die delegierten Verordnung hat zwei Kernauswirkungen. Erstens müssen die Nachhaltigkeitspräferenzen eines Kunden in den gesamten Vertriebsprozess integriert werden. Folglich müssen Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler Informationen auf einer ausreichend granularen Ebene zur Verfügung stellen, damit der Kunde eine fundierte Entscheidung treffen und seine Nachhaltigkeitspräferenzen erfasst werden können, bevor deren Kompatibilität mit dem betreffenden Finanzinstrument analysiert wird. Schließlich sollten die Empfehlungen bezüglich der Nachhaltigkeitspräferenzen angemessen begründet werden.
Darüber hinaus sollten die Nachhaltigkeitsfaktoren eines Versicherungsprodukts auf transparente Weise dargestellt werden, damit Versicherungsvermittler ihren Kunden und/oder potenziellen Kunden die entsprechenden Informationen zur Verfügung stellen können, während sie für Kunden, die keine Präferenzen für Nachhaltigkeit haben, leicht zugänglich bleiben sollen.
Ferner müssen die Nachhaltigkeitspräferenzen neben den Anlagezielen und der Risikobereitschaft in die Beurteilung der Eignung (Artikel 30 der IDD) des Vertriebs von versicherungsbasierten Anlageprodukten einbezogen werden. Folglich dürfen einem Kunden nur geeignete Produkte auf der Grundlage seiner Nachhaltigkeitspräferenzen empfohlen werden und die Geeignetheitserklärung muss Informationen zu Anlageziele, Risikobereitschaft und Nachhaltigkeitspräferenzen enthalten.
Die Delegierte Verordnung (EU) 2021/1253 der Kommission über MiFID II trat zusammen mit der Delegierten Verordnung (EU) 2021/1257 der Kommission über IDD in Kraft. Gemeinsam führen diese delegierten Rechtsakte Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren in das Risikomanagement, die Produktsteuerung und -aufsicht sowie die Verhaltensregeln der Versicherungsunternehmen ein.
Außerdem ist die Einführung von Nachhaltigkeitspräferenzen eng mit der EU-Taxonomie und der SFDR verbunden. Insbesondere Artikel 2 der Delegierten Verordnung 2021/1257 führt das Konzept der Nachhaltigkeitspräferenzen ein und enthält die Option, einen Mindestanteil von Investitionen zu nennen, die:
- mit der EU-Taxonomie aligniert sind;
- mit den Anforderungen von Artikel 2, Punkt 17 der SFDR aligniert sind;
- PAIs berücksichtigen, die durch die SFDR Regulatory Technical Standards eingeführt werden.
Weitere Informationen finden Sie in den Abschnitten zu MiFID II, EU-Taxonomie und SFDR.
- 20. Januar 2016: Inkrafttreten der IDD (Richtlinie (EU) 2016/97)
- 21. September 2017: Inkrafttreten der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2358 und der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2359
- 1. Oktober 2018: Anwendung der IDD (Richtlinie (EU) 2016/97)
- 22. August 2021: Inkrafttreten der Delegierten Verordnung (EU) 2021/1257 der Kommission vom 21. April 2021 zur Änderung der Delegierten Verordnungen (EU) 2017/2358 und (EU) 2017/2359 hinsichtlich der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren.
- 2. August 2022: Anwendung der Delegierten Verordnung (EU) 2021/1257 der Kommission.
Diese Änderungen folgen der Agenda der Europäischen Kommission zur Förderung nachhaltiger Ansätze im EU-Finanzsektor, die im EU-Aktionsplan für nachhaltiges Wachstum (2018) dargelegt ist und den Zielen des EU Green Deal entspricht.
- 21. April 2021: Verabschiedung der Delegierten Verordnung (EU) 2021/1257
- 02. August 2021: Veröffentlichung der Delegierten Verordnung (EU) 2021/1257 im Amtsblatt der Europäischen Union
- 22. August 2021: Inkrafttreten der Delegierten Verordnung (EU) 2021/1257 der Kommission
- 2. August 2022: Anwendung der Delegierten Verordnung (EU) 2021/1257 der Kommission
Derzeit ist keine Konsultation offen oder anhängig.
- Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb (Neufassung))
- Delegierte Verordnung (EU) 2017/2358 der Kommission vom 21. September 2017 zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Aufsichts- und Lenkungsanforderungen für Versicherungsunternehmen und Versicherungsvertreiber
- Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359 der Kommission vom 21. September 2017 zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten geltenden Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln
- Delegierte Verordnung (EU) 2021/1257 der Kommission vom 21. April 2021 zur Änderung der Delegierten Verordnungen (EU) 2017/2358 und (EU) 2017/2359 im Hinblick auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren, -risiken und -präferenzen in die Aufsichts- und Lenkungsanforderungen an Versicherungsunternehmen und Versicherungsvertreiber sowie in die für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten geltenden Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln
- EIOPA final report “Guidance on the integration of the customer’s sustainability preferences in the suitability assessment under IDD”